Sanft durch den Sturm – wenn Histamin auf Hormone trifft
- Jutta Pietsch
- 4 days ago
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In letzter Zeit haben viele Menschen mit einem Thema vor mir gesessen, das oft unterschätzt wird – und doch eine erstaunliche Bandbreite an Beschwerden auslösen kann:
Histamin – und seine enge Verbindung zu den Hormonen.
Besonders bei Frauen, aber auch bei Männern in hormonellen Umbruchphasen, beobachte ich eine zunehmende Häufung von Symptomen wie Völlegefühl, plötzliche Unverträglichkeiten, Migräne, Hautreaktionen, Hitzewallungen, Reizdarm oder Schlafstörungen.
Viele berichten:
„Ich vertrage plötzlich Lebensmittel nicht mehr, die ich früher ganz normal gegessen habe.“
Schauen wir genauer hin, wird deutlich: Es geht nicht allein um das Histamin selbst – sondern um das, was es im Körper triggert und was es widerspiegelt.
Denn Histamin ist mehr als nur ein Botenstoff aus der Nahrung – es steht in enger Wechselwirkung mit unserem Nervensystem, unserem Immunsystem und ganz besonders mit dem hormonellen Wechselspiel.
Beobachtungen aus meiner Praxis
Vor Kurzem saß eine Frau vor mir, die kurz vor der Menopause steht. Sie achtet auf ihre Ernährung, lebt bewusst, sorgt gut für sich. Und doch – jeden Monat, rund um den Eisprung und kurz vor der Periode – das gleiche Muster: Blähbauch, Hautausschläge, Schlafstörungen.
Dann sagte sie einen Satz, der mir besonders im Gedächtnis geblieben ist:
„Ich fühle mich innerlich gereizt – und mein Darm reagiert genauso.“
Dieser Satz bringt etwas sehr Zentrales auf den Punkt. Denn das ist kein Zufall.
Der Kreislauf: Östrogen & Histamin
Was viele nicht wissen: Ein hoher Östrogenspiegel stimuliert die Mastzellen, sodass sie vermehrt Histamin freisetzen. Gleichzeitig verlangsamt Histamin den Abbau von Östrogen. Das bedeutet:
Mehr Östrogen → mehr Histamin
Mehr Histamin → stärkere Östrogenwirkung
Ein echter Verstärkerkreislauf.
Das erklärt, warum gerade Frauen in der zweiten Zyklushälfte, bei PMS oder in den Wechseljahren besonders sensibel auf Histamin reagieren. Aber auch Männer können betroffen sein – vor allem dann, wenn das Verhältnis von Testosteron zu Östrogen aus dem Gleichgewicht gerät, etwa durch Leberbelastung, chronischen Stress oder ungünstige Ernährung.
Was passiert in der Menopause?
In der Menopause verändern sich die Hormonspiegel – das ist bekannt. Doch was oft übersehen wird: Östrogen und Progesteron sinken nicht im gleichen Tempo. Häufig fällt das Progesteron deutlich schneller ab als das Östrogen. Die Folge ist eine relative Östrogendominanz – das heißt, im Verhältnis ist mehr Östrogen im System wirksam, obwohl es insgesamt weniger geworden ist.
Das hat spürbare Auswirkungen: Histamin bleibt länger aktiv, der Abbau ist verlangsamt. Der Körper gerät in einen Zustand, in dem er ständig „unter Strom“ steht – innerlich angespannt, gereizt, überreagierend.
Typische Symptome wie Hitzewallungen, innere Unruhe oder Verdauungsbeschwerden nehmen zu und scheinen oft „aus dem Nichts“ zu kommen. Doch das ist kein Versagen des Körpers. Es ist ein Signal. Ein Ruf nach Ausgleich, nach Regulierung, nach Unterstützung in der Umstellung.
Sanfte Begleiter für dein hormonelles Gleichgewicht
In der Praxis arbeite ich unterstützend mit Pflanzen, die ausgleichend und beruhigend wirken. Hier ein paar Beispiele:
Frauenmantel – balanciert den Zyklus und unterstützt das weibliche System
Schafgarbe – beruhigt sowohl Unterleib als auch Darm
Melisse – krampflösend und nervenstärkend
Brennnessel – wirkt leicht antihistaminisch und entwässernd
Mariendistel – unterstützt die Leber beim Östrogenabbau
Mönchspfeffer – sinnvoll bei hormonellen Schwankungen (nur individuell einsetzen!)
Auch Kräuter wie Passionsblume, Hopfen oder Lavendel helfen dem Nervensystem, das wiederum eng mit dem Darm verbunden ist.
Was Histaminarme-Ernährung unterstützen kann
In Phasen hormoneller Instabilität reagieren viele Menschen plötzlich empfindlicher – auf Lebensmittel, Stress oder Reize, die vorher gut vertragen wurden. Besonders das Zusammenspiel von Hormonen, Histamin und Nervensystem macht den Körper in dieser Zeit anfälliger. Die Schwelle für Reizüberflutung und Unverträglichkeiten sinkt spürbar.
Alkohol
gereiften Käse
Sauerkraut
Tomaten
Spinat
Avocados
Nüsse
Rotwein
Schokolade (ja, leider auch)
Aber anstatt pauschal alles zu streichen, frage ich oft:
Was ist wirklich los im System? Was bringt dich in diesen Reizzustand? Was fehlt dir – an Ausgleich, an Rückzug, an Rhythmus?
Was wirklich hilft – jenseits von Listen
Das Ziel ist nicht Verzicht um jeden Preis – sondern Verständnis und eine stabile Mitte. Es geht darum, den Körper zu unterstützen, statt ihn zu kontrollieren. Und immer wieder zeigt sich: Es sind die einfachen, aber konsequenten Schritte, die tiefgehende Wirkung haben.
Dazu gehört es, den Vagusnerv zu aktivieren und dem Körper über einen stabilen Rhythmus im Alltag Sicherheit zu geben. Die Leber zu entlasten, statt sie mit ständig neuen Reizen zu überfordern. Warme, einfache und individuell gut verträgliche Mahlzeiten helfen, das System zu beruhigen und zu nähren.
Ebenso wichtig ist der Umgang mit Stress: nicht alles runterschlucken, sondern Gefühle, Grenzen und Bedürfnisse ernst nehmen.
Und vielleicht ist das der wichtigste Punkt von allen:Sich selbst ernst nehmen.Gerade in Zeiten des inneren Wandels.
Ausblick
Im nächsten Teil der Serie zeige ich dir, wie du mit einfachen Ritualen im Alltag deine Mitte stärkst, deinen Vagusnerv beruhigst und deinem Bauch ein klares Signal gibst:
„Du darfst loslassen. Ich bin an deiner Seite.“
Denn manchmal ist die wirksamste Medizin keine Tablette –sondern ein tiefer Atemzug,ein Moment der Achtsamkeit,ein warmes Frühstück oder ein bewusstes „Nein“ zum Außen und ein stilles „Ja“ zu dir selbst.
Von Herzen,
deine Jutta
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