Wir begegnen täglich Menschen, deren Meinungen und Ansichten völlig anders sind als unsere – manchmal sogar extrem. Diese Situationen können herausfordernd sein, sei es im beruflichen Umfeld, in der Familie oder sogar in einem Kurs. Auch ich habe diese Erfahrungen gemacht und finde es immer wieder schwierig, den richtigen Umgang damit zu finden. Doch gerade im Gesundheitsbereich, in meiner Praxis und in meinen Kursen, sehe ich es als meine Aufgabe, Menschen unabhängig von ihrer Meinung oder Weltanschauung offen zu begegnen.
Früher laut, heute leise – Mein persönlicher Wandel
Früher hätte ich bei solchen Meinungsverschiedenheiten lautstark meinen Standpunkt vertreten. Besonders in familiären Kontexten, wo Konflikte oft emotionaler und persönlicher sind, war das ein gängiges Muster. Doch die letzten Jahre, geprägt durch gesellschaftliche und politische Spannungen, haben mir gezeigt, dass diese Herangehensweise selten zu einem echten Miteinander führt. Ich habe erkannt, dass es wichtig ist, nicht die Meinung des Gegenübers in den Mittelpunkt zu stellen, sondern den Menschen dahinter.
Den Menschen sehen, nicht die Meinung
Wenn jemand mit einer komplett anderen Ansicht zu mir kommt – sei es politisch, religiös oder ethisch –, versuche ich bewusst, ihn als Menschen wahrzunehmen und nicht auf seine Meinung zu reduzieren. Denn oft weiß ich gar nicht, was diese Person geprägt hat, welche Erfahrungen und Lebenswege sie zu ihrer Überzeugung geführt haben. Durch Ausgrenzung oder Ablehnung nehme ich diesem Menschen vielleicht die Möglichkeit, sich selbst zu reflektieren. Stattdessen schaffe ich einen Raum, in dem er sich angenommen fühlt, ohne seine Meinung teilen zu müssen.
Mein Ansatz im Umgang mit Konflikten
Natürlich gibt es Situationen, in denen diese unterschiedlichen Meinungen direkt aufeinandertreffen – sei es in Kursen, in der Praxis oder zwischen Teilnehmer:innen. Mein Ansatz ist es, folgende Prinzipien zu wahren:
Respekt vor dem Gegenüber: Ich sage klar: „Ich respektiere dich, aber ich teile deine Meinung nicht.“ Dieser Satz hilft mir, meine Position zu wahren, ohne die andere Person anzugreifen.
Den Fokus wahren: In meinen Kursen bitte ich die Teilnehmer:innen, die Zeit für sich zu nutzen und Themen, die politisch oder konfliktreich sind, bewusst außen vor zu lassen. Diese Zeit soll dem Inneren gewidmet sein – dem eigenen Wachstum und der Reflexion. Meditationen und achtsame Übungen helfen dabei, die dahinterliegenden Gefühle zu spüren, ohne zu bewerten.
Individuelle Ansprache: Jede Situation ist einzigartig. Manchmal braucht es ein Gespräch nach der Stunde, manchmal reicht eine klare Ansage in der Gruppe. Wichtig ist, die Balance zwischen Offenheit und klarer Abgrenzung zu wahren.
Hausrecht und persönliche Grenzen: Sollte es doch zu einer unlösbaren Konfliktsituation kommen, bin ich bereit, mein Hausrecht zu nutzen und klare Grenzen zu setzen. Das ist jedoch nur der letzte Schritt, wenn ein friedliches Miteinander nicht möglich ist.
Was ich aus solchen Situationen lerne
Für mich persönlich sehe ich solche Begegnungen immer auch als Chance. Sie erlauben mir, in mich selbst hineinzuhören: Was löst die Meinung des Gegenübers in mir aus? Welche Emotionen kommen hoch, und was möchte in mir bearbeitet werden? Diese Selbstreflexion ist ein wertvolles Werkzeug, um innerlich zu wachsen und mich weiterzuentwickeln.
Fazit: Mehr Menschlichkeit im Umgang miteinander
Mein Wunsch ist es, Räume zu schaffen, in denen Menschen nicht aufgrund ihrer Ansichten beurteilt werden, sondern als das gesehen werden, was sie sind: Menschen mit individuellen Geschichten, Erfahrungen und Prägungen. Ich glaube, dass wir durch einen respektvollen, offenen Umgang Brücken bauen können – auch dann, wenn wir nicht einer Meinung sind. Denn ein Miteinander entsteht nicht durch Abgrenzung, sondern durch Begegnung.
Herzlichst, deine Jutta
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